Singendes Linienspiel

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Man kann durchaus bezweifeln, ob die Welt wirklich eine weitere Aufnahme dieser beiden Beethoven-Sonaten braucht, sind doch allein im Beethoven-Jahr 2020 unzählige Neuinterpretationen auf den Markt gekommen. Doch die chinesische Ausnahmepianistin Jin Ju schafft es tatsächlich, diesen Werken neue Facetten abzuringen. Das liegt nicht zuletzt an ihrem gleichsam „singenden“ Linienspiel, mit dem sie aufzeigt, dass diese Werke keineswegs nur das angeblich hermetische Spätwerk repräsentieren, sondern dass es durchaus Verbindungslinien gibt zu Beethovens „kantabler“ mittlerer Periode der Sonaten op. 78 oder 79. Am eindrucksvollsten gelingt ihr das naturgemäß in den langsamen Sätzen. Aber selbst im marschartigen zweiten Satz aus op. 101 blitzen bei ihr immer wieder sangliche Passagen auf. Jin Ju räumt auf mit dem Klischee des späten, „ruppigen“ Beethoven. Das allein macht diese Aufnahmen mehr als hörenswert. Martin Demmler

Ludwig van Beethoven: Klaviersonaten op. 101 & 106

Jin Ju (Klavier)

Musikproduktion Dabringhaus und Grimm

MDG 947 2306-6 (SACD)