Reger con fuoco

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Das B-A-C-H fegt einem nur so um die Ohren, Passagenwerk blitzt vorüber, in Sekunden stürzen chromatische Sequenzen durch den Quintenzirkel. Als die erste Folge von Rosalinde Haas’ Gesamteinspielung des Regerschen Orgelwerks 1988 erschien, war mancher Freund von Orgelaufnahmen, mancher Reger-Jünger ziemlich perplex. Haas war seit Jahrzehnten ein Begriff, sie beherrschte ein gewaltiges Konzertrepertoire. Und nun hatte die Schülerin des italienischen Orgelvirtuosen und Regerspielers Fernando Germani den ersten Gesamt-Reger im digitalen Medium vorgelegt. An der Klangqualität der Aufnahme gab es nie Zweifel: Ihre Transparenz, Räumlichkeit und Dynamik bestechen noch heute. Die Orgel selbst allerdings, erbaut 1984 als klar konturiertes Universalinstrument von Winfried Albiez, klang nicht gerade nach Regerzeit, in der weiche, pastose Klänge vorherrschten. Und Rosalinde Haas spielte mit einer Virtuosität, die alles riskierte, mit einem Feuer, das einen ganz direkt ansprang, als säße man mit in der Kirche.

Das neoklassische Instrument und die Ausgabe, nach der Haas spielte, markieren ihre Aufnahme als Kind ihrer Zeit. So erklingen in den grandiosen Variationen op. 73 und in Fantasie und Fuge op. 135b Werkabschnitte, die Reger gestrichen und Herausgeber Hans Klotz eigenmächtig wieder in die Gesamtausgabe aufgenommen hatte. Allerdings hat Haas’ Spiel eine Qualität, die immer wieder verblüfft – und überzeugt. Nicht nur durch Sicherheit im virtuosen Zugriff, sondern auch mit Feingefühl im Großen wie im Kleinen. So glückt ihr gerade ein Schinken wie Introduktion, Passacaglia und Fuge op. 127 in enormer Expressivität und wie aus einem Guss. Gerade Großformate wie die Sinfonische Fantasie und Fuge op. 57 oder die Choralfantasien erlangen eine Unmittelbarkeit und, bei allem Tempo, eine Klarheit, die mit einem romantischen, tendenziell trägeren Instrument schwer zu erreichen sein dürfte. Als Kostbarkeiten zeigen sich viele der Charakterstücke aus den opera 59, 63, 65, 69, 80 und 129. Sie profitieren auch von Haas’ Mut zur Farbe und zur Farbmischung mit allen, auch den eher neobarocken Mitteln der Albiez-Orgel. Tempo und Artikulation bleiben dabei stets genau und ausdrucksstark. Wer die Ohren aufsperrt, wird nichts Pauschales entdecken. Und auch das Booklet bietet noch immer vieles Erhellende.

Es hat sich seit 1991 manches getan in der Wertschätzung romantischer Orgeln und der Reger-Interpretation. Gleichzeitig mit Haas’ Gesamteinspielung erschienen etwa bei Intercord erste Reger-Aufnahmen von Christoph Bossert, die einen völlig neuen Ansatz erkennen ließen; er sollte Schule machen. Es spricht für die Stärke von Haas’ Musikalität, dass ihre Reger-Aufnahmen auch in diesem deutlich veränderten Feld von Perspektiven auf Reger überzeugen und erfreuen. Friedrich Sprondel

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