Bühnenzauber

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Solokonzerten, die alle eines gemeinsam haben: den Hang zu szenischer Bildlichkeit, zum Theater. Zwar sind einzig die acht Sätze Innenwelten tatsächlich Theatermusik, sie entstammen Schneiders Oper Bahnwächter Thiel nach der Novelle von Gerhart Hauptmann und spiegeln wider, wie die Hauptfigur die furchtbaren Ereignisse der Handlung erlebt. Im Booklettext zieht Schneider selbst die Parallele zum Wozzeck, und ähnlich wie Alban Bergs Porträt von Büchners zutiefst verstörtem Soldaten zeichnen Schneiders Sätze ein beklemmendes Charakterbild, das sich in wiegendem Wahnsinn verliert. Doch auch Mozart Ascending ist Theater – vier Szenen für Oboe und Orchester um das Konzertfragment KV 293, das Mozart 1778 in Mannheim niederschrieb. Die Klangszene, in die Schneider Mozarts Skizze stellt, ist inspiriert vom Bild des Vaters Leopold, der aus dem fernen Salzburg den Sohn vergeblich zum Fleiß anhielt. Schneider überblendet ihn geisterhaft mit dem „grauen Boten“, der 1791 anklopfte, um das Requiem in Auftrag zu geben, und wiederkehrte, um Unerledigtes anzumahnen – ein wahres Orchestertheater, in dem die Oboistin Juliana Koch als feinsinnige Hauptfigur glänzt. Nicht weit ist es dann zu Raptus. Die Freiheit des Beethoven, einem Orchesterstück, das ein Porträt des Komponisten als Wütender, Getriebener als Collage aus Zitaten zeichnet. Die Jenaer Philharmonie unter Simon Gaudenz zeigt sich als geistesgegenwärtiges, präzises Orchester, das sein Können unter anderem darin zeigt, dass es behände zu historischer Spielweise und zurück wechselt.

Hinter dem Konzert Yin und Yang steht dann das gleichnamige daoistische Konzept der Gegensätze von dunkel, weich, kalt, passiv (Yin) und hell, hart, heiß, aktiv (Yang). Ausmusiziert wird es als Konzert für Sheng und Orchester in zwei rund zehnminütigen Sätzen, und der Solist und Widmungsträger Wu Wei macht die chinesische Mundorgel zum bannenden Soloinstrument, überreich an Farben und geradezu sprechender Artikulation. Schneider zitiert asiatische Klangmittel in der rhythmischen und der melodischen Gestaltung, bleibt aber ganz in seinem eigenen erzählenden Ton, dem man gerne folgt – wiederum auch dank der Jenaer Philharmonie unter Simon Gaudenz, die Sheng-Solist Wu Wei hellwache Partner sind. Friedrich Sprondel

Mozart & Beethoven meeting Yin & Yang

Orchestermusik von Enjott Schneider

Juliana Koch (Oboe), Wu Wie (Sheng), Jenaer Philharmonie, Simon Gaudenz (Leitung)

Wergo

WER 51252