Dass Cage seinen Interpreten enorm viel Freiheit einräumt, ist bekannt; und wenn dann eine Interpretation wie die von Sabine Liebner trotzdem so klingt, als sei das Stück – zumindest in diesem Hörvorgang – nur genau so und nicht anders denkbar, dann ist schon allein das ein Zeichen großer Kennerschaft und tiefen Hineindenkens in Cages Musikphilosophie. Dynamische Stufungen – oft unter Einbeziehung lang ausschwingender Obertöne – bilden Kurven und Bögen, lange Pausen (einmal gibt es innerhalb von zwei Minuten nur zwei Akkorde) schaffen eine nach-denkende innere Weite, in der man das Werk als einen zwar nicht mathematisch exakt umrissenen, aber atmenden Organismus kennenlernt: jeden Akkord als eine Persönlichkeit mit eigener Prägung und Perspektive. Manchmal findet, öfter verliert man sich, und am Ende bleibt alles offen – ungefähr so wie im Leben sonst auch. Gerald Felber
John Cage: Winter Music
Sabine Liebner (Klavier)
Wergo
WER 7411 2