Einen interessanten Einblick in die musikalische Alltagspraxis um 1750 stellt Johann Daniel Pucklitz‘ Oratorio secondo dar. 1747 lud der damals 42-jährige Komponist und Konzertveranstalter das Danziger Bürgertum zwei Wochen lang zu diesem aus zwei Kantaten bestehenden Werk in ein Privathaus ein. Die Leben des Gottesfürchtigen und des Gottlosen werden hier effektvoll einander gegenübergestellt, mit dramatischen Schilderungen von Todesangst ebenso wie dem lustigen Leben. Ein schöner Fund eines ganz unbekannten Komponisten aus den Danziger Archiven. Das Goldberg Baroque Ensemble setzt die reich instrumentierte Partitur mit großer Lust am Klang und den vielen Effekten um: einfallende Berge, eine düstere Gruft (mit obligatem Fagott), ewige Wollust (mit Blockflöten) und das himmlische Jerusalem (mit hervorragender Solo-Trompete). Die erwünschte Todesstunde wartet gar mit den Zauberklängen der Glasharfe auf, die damals gerade in Mode kam! Warum man für die Aufnahme die Danziger Trinitatiskirche mit ihrem langen Nachhall ausgewählt hat, erschließt sich aus der Musik allerdings nicht. Dennoch, der Opus Klassik 2022 für die beste Weltersteinspielung ist absolut verdient. Klemens Hippel
Johann Daniel Pucklitz: Oratorio secondo
Ina Siedlaczek, David Erler, Georg Poplutz, Thilo Dahlemann, Goldberg Vocal Ensemble, Goldberg Baroque Ensemble, Andrzej Szadejko (Leitung)
Musikproduktion Dabringhaus und Grimm
MDG 902 2241-6 (2 Hybrid-SACD)