Hier ist ein Komponist zu entdecken. Liest man über Xilin Wang, so wird immer auf seine musikalische Nähe oder sogar Verwandschaft zu Schostakowitsch verwiesen. In der Tat ist seine Musiksprache sehr verwandt, und wie der Russe wurde auch der 1936 geborene Wang Oper einer Diktatur. Wang, damals Komponist des chinesischen Rundfunk-Sinfonieorchesters in Peking, nahm die Aufforderung der Partei, Kritik zu üben, 1964 ernst – und wurde prompt als „Konterrevolutionär“ in ein Straflager gesteckt. Erst 1978 kam er frei, wurde rehabilitiert und konnte wieder komponieren. Wang schrieb seine dritte Sinfonie, die eigentlich als Aufarbeitung des Tian’anmen-Aufstandes 1976 gedacht war, 1989, als es erneut auf dem Tian’anmen-Platz zu Protesten und schließlich zur Ermordung zahlreicher Demonstranten kam. Das einstündige Werk ist eine hochexpressive Anklage, als würden sich hier endlich Leid, Wut, Schmerz, aber auch ein unbändiger Selbstbehauptungswille Bahn brechen. Xilin Wangs dritte Sinfonie ist höchst packend und energiegeladen, mit ruhigen Passagen, aber auch oft regelrecht schmerzhaft zu hören – wobei sie immer der Tonalität verbunden und dramaturgisch nachvollziehbar bleibt. Manchmal meint man in den Trommeln und den Flötenklängen Chinesisches zu entdecken, doch wüsste man den Komponisten nicht, käme man wohl nicht darauf. Diese Musiksprache ist westlich-universell. Xilin Wang hat vor einigen Jahren übrigens China verlassen und lebt nun in Berlin. Das Spiel des Chinesischen Nationalen Sinfonieorchesters unter der Leitung des Schweizers Emmanuel Siffert, live mitgeschnitten 2018, ist eindrucksvoll. Heiner Milberg
Xilin Wang: Sinfonie Nr. 3
Chinesisches Nationales Sinfonieorchester, Emmanuel Siffert
Wergo
WER 7392 2