Wilde Verzierungskunst

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Das andere Venedig: Unter diesem passenden Titel präsentiert das Ensemble Scaramuccia virtuose Kammermusik des beginnenden 18. Jahrhunderts ganz ohne Vivaldi. Überreiche, phantasievolle Verzierungen des Geigers Javier Lupiánez, die allerdings den Notentext (und auch den Affekt der Sätze) gelegentlich weit hinter sich lassen, machen sie noch virtuoser – man kann das sehr schön in Caldaras wunderbarere Sonate F-Dur nachvollziehen, deren Scan die österreichische Nationalbibliothek im Internet bereitstellt. Aber das passt einerseits sehr gut zum Namen, den das Ensemble sich gegeben hat: Scaramuccia ist ja das Schlitzohr der commedia dell’arte. Andererseits führt Michael Talbot in seinem kundigen Booklettext die „individuelle Ausdruckskunst“ als eins der wichtigsten Kennzeichen der venezianischen Musik dieser Zeit an. Besonders interessant an der Aufnahme sind die erst 2021 entdeckten beiden Sonaten Albinonis, und die Cellistin Inès Salinas wird in drei Sonaten Giorgio Gentilis solistisch aktiv. Sehr klangschöne Instrumente wurden hier sehr klangschön aufgenommen – aber ob man die CD mag, wird aber davon abhängen, ob man die wilde Verzierungskunst der Geige liebt. Klemens Hippel

L’altra venezia

Werke von Bigaglia, Caldara, Albinoni, Gentili, Reali

Scaramuccia

Snakewood editions

SCD202301