Sinnlich mit Sogkraft

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Im Juni 2023 ist mit siebzig Jahren in ihrer Wahlheimat Paris die finnische Komponistin Kaija Saariaho gestorben, eine ganz Große der zeitgenössischen Musik. Die Einspielung mit dem Helsinki Chamber Choir und ihrem Leiter Nils Schweckendiek mit Werken für Chor und für Vokalensemble aus dreißig Schaffensjahren ist nun zum Nachruf geraten. Es ist ein sehr würdiger, um es vorwegzunehmen. Denn hier wird großartig musiziert, den feinen Nuancen in Saariahos Kompositionen nachgespürt. Die Komponistin war eine genau hörende, unermüdliche Forscherin der Klänge. Die einzelnen Facetten in ihren komponierten Resultaten werden von den Kräften aus Helsinki, die sich zur Aufnahme in eine Kirche auf dem Lande zurückzogen, detailreich ausgeführt. Erinnerungsphänomene, Ambivalenzen, Spiegelbilder, Doppelungen in Varianten, Wiedergänger – das sind die Schwerpunkte in diesen Vokalwerken. Die Komponistin hat schon früh in ihrem Schaffen die menschlichen Stimmen mit Live-Elektronik verbunden, um mit subtilen Verstärkungen, Hall- und Verfremdungseffekten den Klangraum des Vokalen auszuweiten. Auch vorproduzierte Vogelrufe und andere Klänge aus der Natur werden in den Sog der Singstimmen bei Saariaho mitunter einbezogen. Die Textvorlagen reichen von Hölderlin bis zu ökopolitischen Versen von Aleksi Barrière, des Sohns der Komponistin, die sie zu „Science-Fiction-Madrigalen“ inspirierten – so nennt es der Dichter. Was für eine hervorragende Aufnahme! Ein anregender, berührender Reigen zeitgenössischer Chormusik. Ecki Ramón Weber

Reconnaissance

Kaija Saariaho: Nuits, adieux; Horloge, tais-toi!, Ècho, Tag des Jahres, Überzeugung, Reconnaissance, Nuits, adieux (A capella-Version)

Helsinki Chamber Choir, Timo Kurkikangas (Elektronik), Anna Kuvaja (Klavier), Uusinta Ensemble, Nils Schweckendiek (Dirigent)

BIS

BIS-2662 (SACD)