Ein Stück Labelgeschichte hat Werner Dabringhaus hier veröffentlicht: War doch der Live-Mitschnitt von Rossinis Petite Messe solennelle die erste Aufnahme, die er zusammen mit seinem Geschäftspartner Raimund Grimm 1978 veröffentlichte, aufgenommen am 7. November in der Abteikirche Marienfeld. Erst eine zweite Auflage der Doppel-LP sollte das Logo des Labels tragen. Die Detailtreue geht so weit, dass man im Booklet die seinerzeit abgedruckten Biografien nachlesen kann. Der jüngste dort genannte Mitwirkende saß 1976 am Harmonium und hat vor wenigen Tagen seinen 70. Geburtstag gefeiert.
Doch allein der nostalgische Rückblick eines Labelgründers hätte eine Neuveröffentlichung samt sorgfältiger Digitalisierung des Originalbands nicht gerechtfertigt; auch nicht die herausragende Qualität der Aufnahme mit ihrer vorbildlichen Klarheit, ihrer klanglichen Wärme und dem präzisen Stereobild. Musikalisch kann die Aufnahme des Gütersloher Bachchors unter Hermann Kreutz auch heute noch bestehen. Das Solistenquartett trifft genau die Mitte zwischen opernhafter Expressivität und kirchlicher Zurückhaltung; besonders der Tenor Aldo Baldins und der substanzreiche Alt Gabriele Schnauts beeindrucken. Hermann Kreutz’ Tempi sind eher bedächtig, aber nie spannungslos; Marie-Theres Englischs ausdrucksvolles Spiel am ersten Klavier trägt entscheidend dazu bei. Das Leuchten und die intonatorische Stabilität des Chorklangs lassen vermuten, dass ihn ausgebildete Stimmen mitprägen. Die Konzentration der Musikerinnen und Musiker insgesamt ist bewundernswert, minimale Abstriche wegen der Livesituation fallen nicht ins Gewicht. Hörend erlebt man nicht nur Label-, sondern durchaus Fonogeschichte. Friedrich Sprondel
Gioaccino Rossini: Petite Messe Solennelle
Gerda Hagner, Gabriele Schnaut, Aldo Baldin, Karl Fäth; Marie-Theres Englisch, Christian de Bruyn (beide Klavier), Martin Lücker (Harmonium), Bachchor Gütersloh, Hermann Kreutz (Dirigent)
Musikproduktion Dabringhaus und Grimm
MDG 102 0003-2 (2 CDs)
