Joseph Haas (1879-1960) hat als Komponist zahlreicher Werke unterschiedlicher Genres posthum nie die Anerkennung gefunden, die ihm gebührt. In Erinnerung geblieben ist er vor allem als Schüler von Max Reger und Mitgründer der Donaueschinger Musiktage. „Neu“ oder gar avanciert war seine eigene Tonsprache jedoch nie, sie bewegt sich stets im Rahmen der (erweiterten) Tonalität in der Nachfolge seines Lehrers. In den „Alte unnennbare Tage“ betitelten vier „Elegien“ op. 42 (1915), den neun kurzen „Hausmärchen“ op. 35 (1911) und dem Variationszyklus „Eulenspiegelleien“ op. 39 (1912) kommt das zum Ausdruck. Im zuletzt genannten Werk ist die Reger-Nähe besonders greifbar. Vom Titel sollte man sich allerdings nicht täuschen lassen: Programmatische Schilderungen „lustiger Streiche“ à la Richard Strauss sucht man in diesem sehr „absolut“ konzipierten Zyklus vergebens; Haas‘ Humor ist subtiler und hintersinniger. Das gilt vor allem auch für die fast filigran zu nennende Fuge in Variation XII, die nie auftrumpft oder laut wird. Wir haben es hier mit einem großen Variationswerk zu tun, das man durchaus neben Regers Bach- und Telemann-Variationen stellen darf. Schlichter, inniger und eher in der Nachfolge von Schumann stehend präsentieren sich die „Hausmärchen“. Zum Höhepunkt des Albums geraten die abgrundtief traurigen „Elegien“, die Haas zum Andenken seinen Verlegerfreunds Ludwig Schittler komponierte. Diese Elegien gehen insofern über Reger hinaus, da sie auch Mittel des Impressionismus mit einbeziehen. Dass Ars Produktion diese mehr als 20 Jahre alten, ursprünglich beim Label Cavalli Records erschienenen Aufnahmen mit der hervorragend disponierten Pianistin Gerit Lense jetzt wieder neu auflegt, ist ein absoluter Glücksfall für die Klavierwelt. Auf das Volume 2, auf dem dann auch Haas‘ riesig dimensionierte Klaviersonate in a-Moll op. 46 zu hören sein wird, darf man sich schon jetzt freuen. Burkhard Schäfer

Joseph Haas: Vol. 1
Elegien op. 42, Hausmärchen op. 35, Eulenspiegeleien op. 39
Gerit Lense
Ars Produktion
ARS 38671