Experimentierfeld Klavier

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Der Komponist Alberto Posadas hat von 2014 bis 2018 für den Pianisten Florian Hoelscher den Klavierzyklus „Erinnerungsspuren“ geschrieben. Die sechs Stücke des Zyklus sind Reflexionen über berühmte Vorgänger aus der Musikgeschichte. Dabei geht es allerdings nicht um Stilzitate oder irgendwelche Retro- oder Neo-Geschichten. Posadas analysiert stattdessen bestimmte Grundzüge im Schaffen der ausgewählten Komponisten und nutzt diese abstrahierten Essenzen als Prinzipien seiner eigener neuen Stücke. In „Anklänge an François Couperin“ nimmt er das Spannungsfeld von Ornament und Inhalt in den Fokus, mit Blick auf Debussys Referenzwerk „La cathédrale engloutie“ testet Posadas mit zahlreichen Präparationen auf den Klaviersaiten, die angerissen und gewischt werden, die Möglichkeiten eines indirekten Klavierklangs aus. Bei der hochvirtuosen Schumann-Reflexion geht es rasant mäandernd und üppig perlend an die Grenzen spieltechnischer Möglichkeiten. Bei der Hommage an Scelsi werden dem Klavier durch Einsatz beispielsweise von Papier, Spachtel, Fahrradschlauch oder Sinusgenerator Klänge wie von einem Urzeittier entlockt. Bei der Auseinandersetzung mit Stockhausen wird es obsessiv-maschinenhaft, und beim Stück über Bernd Alois Zimmermann werden Vielschichtigkeit, Zusammenballung und Komplexität auf die Spitze getrieben. Ein bemerkenswerter, spieltechnisch sehr anspruchsvoller Zyklus. Und damit genau das Richtige für Florian Hoelscher, der alle Herausforderungen bravourös meistert, mit rhythmischer Schlagkraft, mit Sensibilität für die erweiterten Klangmöglichkeiten. Herausragend, wie präzise, mit differenzierter Gestaltungskraft und unerschrocken experimentierfreudig er die Stücke interpretiert. Da ist einer voll in seinem Element. Diesen Zyklus möchte man noch oft hören. Ecki Ramón Weber

Alberto Posadas: Erinnerungsspuren

Anklänge an François Couperin, Anklänge an „La cathédrale engloutie“, Anklänge an Robert Schumann, Anklänge an „Aitsi“, Anklänge an Stockhausen, Anklänge an B. A. Zimmermann

Florian Hoelscher (Klavier)

Wergo

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