Neben den bekannten Werken Schumanns und Chopins stellen Liszts „Transzendentale Etüden“ ein Gipfelwerk der Etüdenkunst dar, die den pädagogischen Aspekt zugunsten einer romantischen Überhöhung weit hinter sich gelassen haben. Allein dass die meisten dieser Etüden programmatische Titel tragen, zeigt Liszts Intention, manuelles Hexenwerk in musikalische Poesie zu transformieren. Mit machtvoller Pranke eröffnet der 1990 geborene Haochen Zhang das einleitende „Preludio“ und legt mit dem kühn vorwärts getriebenen Rankenwerk in der rechten Hand den Akzent ganz auf brillante Virtuosität. Zhang verfügt über eine geradezu phänomenale Technik, wie die Parforceritte durch Etüden wie „Mazeppa“ oder „Wilde Jagd“ eindrucksvoll demonstrieren. Doch es gelingt ihm weit mehr, als flinke Finger zur Schau zu stellen. Auch wenn sein Spiel generell eine gewisse Kühle aufweist, kreiert Zhang auf engstem Raum komprimierte Dramen, spannungsvolle Szenen, Naturidyllen oder erregende Momente voll erotischem Flirren und religiöser Ekstase. Hier entstehen feine Geschichten, die Zhang nicht mit der identifikatorischen Emphase eines Romantikers erzählt, sondern aus der distanzierten Rückschau des heutigen Künstlers heraus – spannend ist dieser Ansatz allemal. Frank Siebert
Franz Liszt: Études d’exécution transcendante
Haochen Zhang (Klavier)
BIS
BIS-2681 (SACD)