Raritäten des 20. Jahrhunderts

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Die Cellistin Nuala McKenna kombiniert Poulenc mit Martinů und Hindemith

Sie war mit 12 Jahren Jungstudentin in Lübeck, hatte mit 17 ihr Abitur und wurde mit 19 Mitglied des Balthasar-Neumann-Ensembles, eines der renommiertesten Alte-Musik-Orchester. Sie studierte u.a. bei Jean-Guihen Queyras, war Akademistin im Concertgebouworchester in Amsterdam, wo sie bis heute lebt, und ist seit 2018 Solo-Cellistin der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, die von den Lesern der Zeitschrift Grammophone gerade zum Orchester des Jahres gewählt worden ist. Nun hat Nuala (sprich: Nula) McKenna, die einen irischen Pianisten zum Vater hat, ihre zweite CD herausgebracht.

©Wendelien Daan

Frau McKenna, Sie haben Ihr CD-Debüt 2021 gegeben mit Solostücken des 20. Jahrhunderts, Kodály, Ligeti, Britten – eine ungewöhnliche Wahl.

Ich hatte 2018 eine Solotournee durch die Niederlande gemacht und gemerkt: Cello solo ist was für mich, das hat mich richtig inspiriert. Ich bin als Schülerin jede Woche mit der Bahn zweieinhalb Stunden hin und zweieinhalb Stunden zurück von meiner Heimatstadt Schleswig nach Lübeck zur Hochschule gefahren. Die Zeit hab ich für Hausaufgaben genutzt, aber es kam auch immer wieder die Frage auf: Kannst du uns nicht was vorspielen? Ich hab mich nicht getraut, aber ich fand es doch auch schade, dass ich nichts parat hatte, was ich allein hätte spielen können. Ich habe im Studium hauptsächlich Sonaten und Cellokonzerte gespielt. Dabei gibt es unglaublich viel Repertoire für Cello solo. Vor allem aus dem Barock und aus dem 20. Jahrhundert.

Nun bleiben Sie mit Ihrer zweiten CD im 20. Jahrhundert, nehmen aber ein Klavier hinzu.

Das ist einfach tolle Musik! Die Sonate von Poulenc war schon immer eines meiner Lieblingsstücke. Und die erste Sonate von Martinů ist auch umwerfend, aber kaum bekannt. Es ist faszinierend, dass es so viele Leute gibt, die Martinů nicht mögen. Genau deshalb wollte ich diese Sonate aufnehmen. Ich möchte einfach, dass sich mehr Leute für Martinů begeistern. Und mit Hindemith ist ja es ähnlich, er ist als schwierig verschrien. Die drei Stücke op. 8 stammen aus seiner Studienzeit, das ist das einzige frühe Werk, das überhaupt erhalten ist. Es wird sehr selten gespielt, ist aber wunderschön, ziemlich romantisch, aber auch schon vom Jazz beeinflusst – und höllisch schwer fürs Klavier.

Apropos, war es schwierig, sich auf einen Klavierpartner festzulegen?

Für die Entscheidung habe ich viel Zeit gebraucht. Robert Kulek kenne ich schon länger, er lebt auch in Amsterdam, aber wir hatten kaum Konzerte miteinander gespielt. Robert bringt wahnsinnig viel Erfahrung mit als Duo-Pianist, aber vor allem haben wir sofort gemerkt, dass wir im Moment des Aufnehmens, aber auch im Konzert ein sehr ähnliches Temperament und Spontanität haben. Das ist toll!

Sind Sie inzwischen überzeuge Amsterdamerin?

Es zieht mich schon oft nach Deutschland, ich bin froh, dass ich da arbeite. Ich bin noch nicht Holländerin geworden. Aber Amsterdam ist eine großartige Stadt zum Leben. Ich mag auch den Wind, ich bin eher ein Schlechtwetter-Typ.

Sie mussten im Juli Ihr Cello wechseln. Mit welchem haben Sie die CD aufgenommen?

Mit dem alten, dem Cello mit Zettel „Joseph Guarnerius“ der Deutschen Stiftung Musikleben. Aber die Fotos auf dem CD-Booklet zeigen das neue Cello. (lacht) Ich hab einfach wahnsinnig Glück gehabt, dass ich dieses tolle David Tecch-ler bekommen habe als Leihgabe des Hauses der Musik in Hamburg. Ich hatte große Angst vor dem Wechsel, ich hatte mein altes zwölf Jahre lang und war überzeugt, dass ich nie wieder ein vergleichbares Cello finden würde. Ich habe lange gesucht, und dann kreuzte das neue per Zufall meinen Weg. Es ist wirklich großartig und hat es verdient aufs Cover.

Würden Sie die CD gern nochmal mit den neuen Cello aufnehmen?

Hm, gute Frage. Aber nein, das alte Instrument hat mir so viel bedeutet … Und es ist ja auch ein tolles Cello. Das neue hat etwas mehr Kaliber, das ist was für größere Konzertsäle. Es ist schon in Ordnung so.

Das Gespräch führte Arnt Cobbers.

Erschienen im Klassik-Winter 2023

Duo. Werke für Cello und Piano

von Martinů, Poulenc und Hindemith

Nuala McKenna (Violoncello), Robert Kulek (Klavier)

frisch erschienen bei Cobra Records