Fin-de-Siècle-Raffinesse

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Manchmal hält ein Booklet-Text doch Überraschungen bereit. Denn da zeigt sich: Georges Catoire war nicht, wie man meinen könnte, Franzose, Belgier oder Schweizer. Er war Russe, geboren als Enkel lothringischer Einwanderer 1861 in Moskau – weshalb man ihn im Netz und in Lexika auch unter Georgy Catoire oder Georgi Katuar findet. Über den damals in Moskau unterrichtenden Karl Klindworth kam er mit der Musik Liszts und Wagners in Berührung, studierte auch selbst zeitweilig in Berlin, ehe er schließlich in Moskau eine Kompositionsprofessur erhielt und auch musiktheoretische Werke schrieb. Nach seinem Tod 1926 geriet er in Vergessenheit, und auch wenn es inzwischen einige Aufnahmen von Werken Catoires gibt, allen voran eine Klavier-CD von Marc-André Hamelin, so dürfte seine Musik den meisten Klassikfreunden doch unbekannt sein. Russisch klingen das Streichquartett und das Klavierquintett überhaupt nicht, doch aus welcher Zeit diese Werke stammen, wird nach den ersten Tönen schon klar: Dies ist reinstes Fin-de-siècle, hochexpressive, manchmal geradezu schwüle Musik, aufgebaut auf langen Melodielinien und dichtgewobener Polyphonie. Kurz: „die Musik eines Menschen von feinster Kultur“, wie es Anna Zassimova im Booklet formuliert. Die russisch-deutsche Pianistin ist inzwischen die Kennerin schlechthin, was Georges Catoire betrifft, und sie ist auf dieser engagierten, schönen Einspielung auch selbst zu hören (auf dem perfekt passenden historischen MDG-Steinway) im Klavierquintett. Einen Satz länger und mindestens ebenso gewichtig ist das Streichquartett, für den das Utrecht String Quartet genau den richtigen Ton trifft. Arnt Cobbers

Georges Catoire: Streichquartett, Klavierquintett

Utrecht String Quartet, Anna Zassimova (Klavier)

Musikproduktion Dabringhaus und Grimm

MDG 603 2286-2 (Hybrid-SACD)