Ist es eine Hommage, oder war das späte Klarinettenquintett Max Regers der Versuch, das Vorbild Brahms noch zu übertreffen? Beides sind Spätwerke im emphatischen Sinne. Und es ist sicher kein Zufall, dass Reger in seiner letzten vollendeten Komposition mehrfach ein Motiv aus dem ersten Satz des Brahms-Quintetts zitiert. Von Regers Klarinettensonaten op. 49 weiß man, dass er sich mit ihnen an Brahms‘ späten Werken für diese Besetzung messen wollte. Warum sollte Ähnliches nicht für das späte Quintett op. 146 gelten? Allerdings sind beide Werke von einer so unterschiedlichen Klanglichkeit, dass sich ein direkter Vergleich eher verbietet. Steht Brahms mit seinem Quintett auf dem Zenit dessen, was Arnold Schönberg später als „entwickelnde Variation“ beschrieben hat, so zeigt die Partitur Regers eine kontrapunktische Komplexität und eine Üppigkeit des Tonsatzes, die in der Musikgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts ohne Beispiel sind. Robert Oberaigner, gefeierter und vielfach ausgezeichneter Solo-Klarinettist der Sächsischen Staatskapelle Dresden, ist zweifellos ein Ausnahmetalent. Er macht deutlich, welche Klangschönheiten in beiden Werken stecken. Der Melancholie des späten Brahms wird sein feinsinniges, technisch brillantes Spiel ebenso gerecht wie den herausfordernden Klangkaskaden Regers. Martin Demmler
Johannes Brahms, Max Reger: Klarinettenquintette
Robert Oberaigner (Klarinette), Fritz Busch Quartett
Musikproduktion Dabringhaus und Grimm
MDG 903 2287-6 (SACD)